Corona und Homeoffice

Still ist es geworden.
Wo noch gerade die Atmosphäre erfüllt war mit Dröhnen, Betriebsamkeit und lauwarmen Gewohnheitsrhythmen, herrscht auf einmal Ruhe und Langsamkeit. Die Bühne der Alltäglichkeit ist leer und das Publikum hat keinen Zutritt mehr. Bequeme und gewohnte Verfügbarkeiten brechen weg. Bewegungsfreiheit, Konsum und Unterhaltung erscheinen unerreichbar fern - die übliche Welt hat sich uns entzogen.

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Noch sind die Stimmen derer nicht ganz verklungen, die gerne mehr Zeit für sich gehabt hätten, die endlich einmal aus dem entfremdeten Arbeitsprozess aussteigen wollten, die sich nach Ruhe und Entspannung gesehnt haben. Die oft ersehnte Entschleunigung kam ungeplant und überraschend. Viele von uns finden sich jetzt genau in diesen Möglichkeiten wieder, zurückgeworfen auf unser eigenes Dasein, uns selbst schonungslos ausgeliefert.
Wie gehen wir damit um?
Bedenkt man die vielen Menschen, die jetzt trotz Krisenmodus unermüdlich für die Aufrechterhaltung unserer Gesellschaft tätig sind, so ist es eigentlich fast ein verpflichtendes Privileg die Zeit des auf sich selbst Zurückgeworfen – Seins auch sinnerfüllt zu nützen. Selbstbetrachtung und Selbstsorge wäre eine mögliche Idee, die Philosophie bietet uns dazu eine Vielzahl an Ideen und Konzepten. In Resonanz mit sich selbst gehen, unser Denken und unsere Haltung dem Leben gegenüber in Frage zu stellen führt uns unweigerlich näher an uns selbst und an unseren Wesenskern  heran.

Die überstrapazierten äußeren Verhältnisse und Umgebungen, lassen sich nicht mehr als Hemmnis unseres Tuns verstehen, sie sind uns ebenso entzogen, wie die Rollen und Interpretationen unseres Selbst, die wir ständig versuchen zu sein. Wir sehen uns mit einer ganz anderen Wirklichkeit konfrontiert. Einer Wirklichkeit in der wir nicht nur etwas mehr die werden können, die wir eigentlich sind, sondern auch eine, die uns zu potentiellen Gestaltern werden lässt oder zumindest zu Umgestaltern unserer Lebensumstände.

 Auf Grenzsituationen reagieren wir daher sinnvoll nicht durch Plan und Berechnung, um sie zu überwinden, sondern durch eine ganz andere Aktivität, das Werden der in uns möglichen Existenz“, meinte Karl Jaspers.

Krisensituationen, wie die aktuelle, führen uns eindringlich vor Augen, dass wir trotz technischen Fortschritts, Digitalisierung, Optimierungsmedizin und Betreuungsvielfalt, verwundbar sind und uns gleichermaßen im Boot der Endlichkeit und der Sterblichkeit wiederfinden. Die Illusion des optimierten, ewig jugendlichen, stets glücklichen Lebens zerplatzt durch einen kleinen Virus.

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Was könnte werden?
Da wir alle uns im Jasper`schen Sinne dieser Situation ausliefern müssen, entstehen viele neue Blickwinkel. Ideen und Haltungen wie Selbstsorge, Solidarität und Mitgefühl gegenüber anderen Menschen können aus der willkürlichen Freiheit enthoben und zu einer Grundbedingung menschlichen Zusammenlebens werden.
Unsere sozio - kulterelle Grundstruktur könnte sich wandeln und dafür sorgen, dass die jetzt gefeierten HeldInnen des Handels in der Grundversorgung, unser Betreuungspersonal, die Menschen die unsere Kinder begleiten, die Unermüdlichen im Gesundheitsbereich, vielleicht nicht wieder in der funktionalen Anonymität versinken?

Vieles könnte werden, wenn wir die Zeit des Homeoffice und des auf uns Zurückgeworfenseins als philosophische Übung, als Möglichkeit zur Reflexion und als unglaubliche Chance zur Erweiterung unserer Lebenskönnerschaft begreifen.

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